Einmal ist dem Autofahrer eine Fliege ins Auge geraten, und er überfährt einen Radfahrer. Das mag daran liegen, dass für die Entscheidung die Jugendgerichte zuständig sind, die aufgrund der speziellen Materie oft einer pädagogisch-psychologischen Betrachtung der Dinge näher stehen als Erwachsenengerichte.

Wir haben uns in Europa seit tausend Jahren angewöhnt, "Wahnsinnige" für "nicht verantwortlich", also für "nicht schuldig" zu halten. Dann verstehen sie, dass zwischen einer Unaufmerksamkeit und einem absichtlichen Schwerverbrechen ein sehr großer tatsächlicher und moralischer Unterschied besteht. Der Grundsatz ist nicht schwierig. Die Übergänge sind fließend.

Dem Leser werden hier wie anderswo schon die einfachsten Grundlagen der Rechtsfragen entweder verschwiegen oder so verdreht mitgeteilt, dass der Informationsgehalt sich auf bloße Anstachelung von Empörung beschränkt. Die zitierten mündlichen Begründungen waren teilweise ungewöhnlich und wirr. Hier hat in den vergangenen Jahren eine Änderung der Rechtsprechung des BGH stattgefunden: Früher wurde fast immer gemildert, was ungerecht milde war. Am 23.10.2019 wurde ein 21-jähriger Angeklagter vom Amtsgericht Würzburg wegen fahrlässigen Vollrauschs zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro und einem weiteren Jahr Führerscheinentzug verurteilt.

Das Empörungsgeschrei "des Netzes" und "der Medien" ist wohlfeil, sensationsgeil und voyeuristisch.

Zu allen Problemen, die schon diese Abgrenzungen verursachen, kommt noch eines hinzu: Der Gesetzgeber weiß sehr genau, dass Saufen gefährlich ist.

Gegen das Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein.

Den Begriff "Hauptangeklagter" gibt es im Strafprozess überhaupt nicht. Eine trinkungewohnte Rentnerin kann mit 2,0 Promille beim Diebstahl von Eierlikör jenseits von Gut und Böse sein.

An dieser Stelle muss man einen Blick auf die "Schuldfähigkeit" (auch genannt: "Unzurechnungsfähigkeit") und auf ihren Zusammenhang mit Zuständen der Berauschung werfen. (Fast) jeder Mensch in Europa weiß, dass unter Einfluss von Alkohol zunächst das Hemmungsvermögen ("Fähigkeit, nach der vorhandenen Einsicht zu handeln"; § 20) und dann auch das Einsichtsvermögen (Fähigkeit zu erkennen, dass man Unrecht tut) sukzessive nachlassen. Anders wäre es nur, wenn der Täter schon bei Beginn des Sich-Berauschens schuldunfähig gewesen wäre (zum Beispiel wegen Geisteskrankheit): Dann bliebe überhaupt keine Schuld übrig. Daher ist es sehr selten, dass jemand von dieser Erfahrung "überrascht" wird. Eine letzte Komplizierung: Volle Schuldunfähigkeit wegen Alkoholisierung ist relativ selten; man wird sehen, was im Würzburger Fall in der Berufung herauskommt. Geprüft werde noch, ob auch gegen die Urteile für die drei mitangeklagten Mitfahrer des Todesfahrers Berufung eingelegt werde.

Die (schuldunfähig begangene) Rauschtat ist nur ein Das gilt erst recht für eine Figur, die überhaupt nicht im Gesetz steht, aber von der Rechtsprechung und Wissenschaft zur Erfassung von strafwürdigen Fällen entwickelt wurde: Wer sich vorsätzlich "schuldunfähig" macht mit dem Ziel, dann in diesem Zustand eine Tat zu begehen, der verdient überhaupt keine Milderung: Er wird dann wegen der "Rauschtat" bestraft, als ob er voll schuldfähig gewesen wäre. Viele Menschen meinen zwar, die Tötung eines Menschen im Straßenverkehr solle immer als "Mord" oder "Totschlag" angesehen werden. Sie waren wegen unterlassener Hilfeleistung zu Geldstrafen zwischen 1.000 und 2.000 Euro verurteilt worden. Vorsätzlicher Vollrausch: Dem Betroffenen ist vollends bewusst, dass es durch die Berauschung zu einer Straftat kommen wird. Der Täter wird seines Lebens nicht mehr froh, wie die Angehörigen der Opfer.

Das meinen sie allerdings nur so lange, bis sie selbst einen Moment nicht aufpassen und jemanden töten oder verletzen.

In diesem Fall greift aber § 323a StGB ein: Der Täter wird dann "wegen Vollrausch" bestraft (siehe das Urteil des AG Würzburg).

100 Abs.

Er hatte eine Blutalkoholkonzentration von fast 2,9 Promille; drei weitere junge Männer, ebenfalls alkoholisiert, saßen mit ihm im Auto. Das Jugendstrafrecht steht unter dem Oberbegriff des "Erziehungsgedankens": Man will durch andere Maßnahmen (Auflagen, Weisungen, Arrest, Geldstrafe) möglichst die Verhängung der (oft eher schädlichen) Jugendstrafe vermeiden.

Richtig ist, dass bei Personen zwischen 14 und 17 (sogenannten Jugendlichen) immer Jugendrecht anzuwenden ist, bei Personen ab 21 immer Erwachsenenrecht. Die Schuld, die § 323a bestraft, ist also nicht diejenige der Rauschtat, sondern die des "gefährlichen Sich-Berauschens". "Schädliche Neigungen" sind, was man auch als "Tendenz zur sozialen Verwahrlosung", Neigung zur Wiederholung, Fehlen von moralischen Strukturen und so weiter beschreiben kann.

Man muss sich mit den Dingen ernsthaft befassen und die Zusammenhänge der Regeln zu verstehen versuchen, nach denen man im Ernstfall selbst behandelt werden möchte.

Er ist ziemlich kompliziert: Wenn Sie den Text aufmerksam lesen, bemerken Sie, dass die "Tat", also das bestrafte Unrecht, hier das Sich-Berauschen ist. Oktober 2019 hat für großes Aufsehen, Empörung und erstaunliche Schlagzeilen gesorgt.

Wer den Artikel liest, der hier nur stellvertretend für viele andere genannt ist, "versteht" das Urteil auf gar keinen Fall; daran ändert auch der "Verkehrsexperte" nichts, den "Bild" bemüht. Gesetzgeber und Gerichte machen Fehler, aber sie sind nicht von vornherein blöd, ungerecht oder volksfern.

Es kann aber vorkommen, etwa wenn Jugendliche erste Räusche erleben oder Personen heimtückisch in schwere Räusche versetzt werden.